Eine Laudatio
Diese Rede würde von Diana Köhler zu meinem 90zigsten Geburtstag gehlaten. Nochmals Danke dafür.
Liebe Gäste, Freunde und Familie,
sehr geehrter Bürgermeister Dr. Wagner mit Gattin,
liebste Iris
Es ist mir eine besondere Ehre, die Laudatorin zum heutigen
90-jährigen Jubiläum sein zu dürfen.
Als ich Dich, liebe Iris, vor fast 30 Jahren hier in Hambrücken kennenlernte, war uns wahrscheinlich beiden nicht bewusst,
dass sich unsere Wege bis hierher zusammenführen:
Du hast viel zu bieten, ich viel zu sagen.
Wenn man auf 90 Jahre zurückblickt, gibt’s auf jeden Fall viel zu sagen aber auch zu fragen. Denn spätestens beim Blick auf die Einladung, fingen manche von uns an, zu analysieren…
90 Jahre – kann das stimmen?! Wer oder was wird 90?!
Einzeln oder zusammen?! Und vor allem in welchem Verhältnis?!
Wer bis dato noch keine Lösung für seine eigene Kalkulation gefunden hat, erfährt nun die Auflösung:
Iris Schubert, von Insidern gerne „Töpfer-Iris“ genannt, wurde 1962 in Darmstadt geboren, kam im Alter von 29 Jahren mit ihrem Siggi
– inner- und außerorts als „Streifen-Siggi“ bekannt –
nach Hambrücken und flickte sich durch den Kauf des hiesigen Anwesens in die beschauliche Lußhardtgemeinde ein.
Somit waren beide offiziell „zwaai hambrigger Rei´gfliggde“.
Wenn nun auch noch von mir die urkundlich beglaubigte Information kommt, dass am 1. April 1993 die Eröffnung des Keramik-Studios war, liegt des Rätsels Lösung vor und lautet:
60 Jahre Iris, 30 Jahre Töfperstudio
Wer nun ganz genau mitgerechnet hat, der kommt zur Erkenntnis, dass es vor dem Zuzug eine vorausgegangene Lebensgeschichte der Jubilarin gegeben haben muss. Sicherlich.
Da war eine Iris, die der Mutter als 10-Jährige ihren Traum von einen eigenen Lädchen mitteilte. So war im Kindesalter bereits klar, dass es irgendetwas Kreatives sein musste.
Doch zuvor stand die Schule des Lebens an, mit ihren Stationen
für die persönliche und berufliche Entwicklung.
Fragen wie „Worin kann ich am besten in der Welt sein?,
Was braucht die Welt? Womit kann ich Geld verdienen?“,
stellte sich Iris in jungen Jahren.
Einen Teil der Antwort fand sie in ihrem Beruf.
Im Alter von 18 Jahren entschied sich Iris für die Ausbildung zum Informationselektroniker. Auf meine Frage hin, ob es nicht Informationselektroniker/in heißen müsste, antwortete mir Iris mit einer Selbstverständlichkeit und ohne Beharren auf die feminine Form: „Ich weiß doch, dass ich eine Frau bin und ich weiß auch, was ich kann. Dazu braucht´s keine weibliche Endung.“
Mit dieser Einstellung absolvierte Iris ihre Ausbildung bei Bosch, bearbeitete Metall am Schraubstock, bediente Dreh- und Hobelbänke sowie Fräsmaschinen. Zu dieser Zeit – und das darf hier als geschichtliches Ereignis erachtet werden – war Iris die ein zigste Frau in ganz Hessen mit dieser Berufsbezeichnung.
In der Annahme, dass diese Tatsache damals nicht beklatscht worden ist, möchten wir dies nun nachholen und unserer „einzigartigen“ Iris mit einem gebührenden Applaus nachträglich gratulieren.
Gerade Frauen hatten es damals in einer Männerdomäne besonders schwer – so auch Iris. Obwohl sie unter den Auszubildenden als Beste die Prüfung bestand, erschwerte ihr ihr Arbeitgeber das Berufsleben in jeglicher Hinsicht. Am Arbeitsplatz wurde sie gezielt angefeindet und diskriminiert – von Arbeitnehmern wie auch von Vorgesetzten. Und alles nur, weil sie eine Frau war. Heute hat man dafür eine konkrete Bezeichnung: Mobbing.
Da Iris aber schon immer für sich selbst einzustehen wusste, ihre Fähigkeiten und Stärken kannte und über ein hohes Maß an Selbstvertrauen verfügte, kündigte sie ihrem damaligen Arbeitgeber.
Daraufhin konnte sie ihre Kompetenzen bei einem Vertrieb von wissenschaftlichen Geräten, insbesondere auf dem Gebiet der Tieftemperaturphysik unter Beweis stellen, die dort auch Anerkennung fanden.
Neben dem Erreichen des Berufsziels gab es da aber noch
andere Wünsche, die sich nach Erfüllung sehnten.
Und so fand das Herz einer Löwin zum Herzen eines lebensfrohen Bikers namens Siggi, den sie im Motorradurlaub 1989 in Spanien kennen und lieben lernte. Gott Amor hatte mit seinem Pfeil so zielgenau getroffen, dass die zwei Liebenden immer reger wurden, wie ihr Liebesgott keinen Müßiggang kannten und sich schon nach zwei Jahren des Zusammenseins für dieses Anwesen hier in Hambrücken an einem Mittwoch im August 1991 entschieden und sonntags darauf käuflich erwarben. Schon beim Hauskauf hatte die Planung einer Keramik, wie Iris selbst ihr Töpferstudio benennt, oberste Priorität. Da „machen statt reden“ schon damals die Lebenseinstellung der beiden beschrieb, begannen sie am darauffolgenden Samstag mit dem Umbau ihres Eigenheimes.
Und da Amor immer noch seine Finger im Spiel hatte, kam,
was kommen musste: der Heiratsantrag im heimischen Garten.
Mit einer Flasche Sekt in der Hand und einem Apfelbäumchen unterm Arm stellte die forsche Iris ihrem geliebten Siggi die Frage aller Fragen, die er offensichtlich mit JA beantwortete.
Im Dezember 1991 beschenkten sie sich dann gegenseitig mit Eheringen. Glückwunsch.
Ab diesem Zeitpunkt gab´s ein neues Gesprächsthema
in Hambrücken:
die Schuberts
Das kleine 2000-Seelen-Dorf hatte nun 2 Seelen mehr, die es galt zu beäugen, zu inspizieren und auf Herz und Nieren zu prüfen.
Und so eine Prüfung kann dauern… ;-)
Mit der Eröffnung der Keramik am 1. April 1993 wurde dann entgültig das Eis gebrochen.
Die Schuberts, die mittlerweile ein einjähriges Zeugnis ihrer Liebe
in den Armen halten durften, zeigten sich von ihrer wahren Seite:
offen, ehrlich und liebenswert
Seit dieser Zeit stellt sich mancher Besucher immer wieder die gleiche Frage: Wie kann man? Wie geht das?
Hierauf gibt’s nur eine Antwort: Indem man brennt!
Brennen im doppelten Sinn: Für eine Sache brennen
und etwas brennen – nämlich Ton.
Und genau das sehen und erleben Besucher und Kursteilnehmer, Jung und Alt, Kinder, Frauen und Männer.
Alle kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, vor allem diejenigen, die die Obere-Brühlstraße 26 noch von früher kennen.
Während fortan das Feuer der Kreativität im Hause Schubert brennt, springen Funken übers ganze Ort und auch darüber hinaus in alle Himmelsrichtungen…bis zum heutigen Tag.
Nach der Eröffnung fand zunächst Kindertöpfern an Mittwochnachmittagen statt.
Am gleichen Wochentag hat sich dann morgens das Erwachsenentöpfern angeschlossen.
Daraus bildeten sich Frühjahrs- und Herbstkurse, woraus schlussendlich – aufgrund der großen Nachfrage – Jahreskurse wurden.
Auch Vernissagen wollen erwähnt werden, wobei Iris schon im zarten Alter von 20 Jahren zur ersten ihrer Art nach Bad König einlud. Weitere Ausstellungen folgten, die schließlich auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und deren Interesse nach wie vor riesig ist. Hiervon weiß ich, dass sich Iris immer wieder auf die Open-Air-Veranstaltung „Kunst im Park“ in Wiesental freut.
Ihr großes Herz für Kinder und angetrieben durch ihr unermessliches Engagement ließ Iris zur Mitorganisatorin des „Welt-Kindertages“ in Hambrücken werden. Auch bei der Planung und Durchführung des Hambrücker Weihnachtsmarktes wirkte sie
9 Jahre lang mit.
Damit nicht genug trug die Künstlerin maßgeblich zum Gelingen
der in Hambrücken stattgefundenen Weltkindertage bei
– sowohl in der Lußhardthalle als auch bei den verschiedensten Projekten wie zum Beispiel
-die Gestaltung des Fußgängertunnels beim Sportplatz;
-die Aufwertung der Bushaltestellen beim ehemaligen Feuerwehrhaus und beim „Prinz Carl“ – Letztgenannte wurde später auch im Zuge des Ferienprogrammes von Iris renoviert;
-die farbenfrohe Aufhübschung der Mauer beim Kindergartenweg an der Hauptstraße, die nun leider zu zerfallen droht;
-die Gestaltung des Theatereingangs bei der Lußhardthalle, welcher im letzten Jahr unter anderem wegen Vandalismus renoviert werden musste.
Auch die Mitwirkung beim alljährlichen Ferienprogramm ist für Iris eine Selbstverständlichkeit. Durch die führende Hand unserer Kunstexpertin sind dadurch schon einige Projekte entstanden: „Zaunhocker“ bei der Pfarrer-Graf-Schule, Stelen beim Rathaus
und den beiden Kindergärten, Windspiele in beiden pädagoischen Einrichtungen, sowie die mehrmalige Zaungestaltung beim Kindergarten in der Rheinstraße.
Zu guter Letzt sei noch auf die vielen individuellen Kunstobjekte
wie Hausnummern, Dachfiguren, Skulpturen in Vorgärten und Hauseingängen aufmerksam gemacht, durch die sich die Töpferikone Iris in so manchen Haushalten verewigit hat.
Mit diesem Rückblick auf 60 Jahre Iris und 30 Jahre Keramik überlegt man sich nun doch: Ticken die Uhren im Hause Schubert vielleicht anders? Hat hier der Tag mehr als 24 Stunden?
Oder ist hier einfach nur ein magischer Ort, wo Passion seiner Bedeutung mehr als gerecht wird.
Liebe Iris
Glückwunsch Dir und Deiner Keramik.
Ein Hoch auf euch beide – eine herausragende Persönlichkeit
und bedeutende Institution.
Du und Deine Keramik seid eine Bereicherung für Hambrücken und aus unserer kleinen Lußhardtgemeinde nicht mehr wegzudenken. Schön, dass es euch gibt!
Diana Köhler
Hambrücken, den 1. April 2023